Früher war alles besser – aber für wen?
Früher kümmerte man sich selten oder nie um das Urheberrecht des Urhebers (Designer, Filmers, Fotografen, Künstlers, etc.) und der sich daraus ergebenden Nutzungsrechte, wurde man als Fotoreporter (Bildberichterstatter) zu einer Ausstellung geschickt und fotografierte dort die Kunstwerke oder die „Aktion“. Das Bild erschien am nächsten Tag in der Zeitung. Am übernächsten Tag wanderte die Zeitung ins Archiv und das Foto ins Fotoarchiv des Verlages und des Fotografen, um später eventuell erneut gedruckt zu werden. Andere freiberufliche Fotografen spezialisierten sich auf die Dokumentation von Künstlern, Kunstwerken und deren Aktionen. Ihre Fotos wurden in Sammlungen von Privatleuten oder den Archiven von Institutionen und Museen aufgenommen.
Früher wurden die Fotos oft erneut veröffentlich oder ausgestellt und kaum jemand fragte vorher beim Künstler oder seinen Erben an, ob das auch erlaubt sei. Ganz davon abgesehen, dass man dem Künstler oder Erben – neben dem Fotografen – auch ein Honorar zahlte. Das Urheberrecht stammte von Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts und die Zeitspanne des Schutzes der Nutzungs- und Verwertungsrechte war damals kurz. Lebte der Künstler noch, hatte er selten etwas gegen einen erneuten Abdruck, da er das als Werbung für sich und seine Arbeit einstufte. Er erwartete auch nicht, dass er dafür ein Honorar erhalten würde. Ja, damals war alles besser oder doch nicht?
Inzwischen wurde alles komplizierter. Das nicht nur durch die Änderungen des Urheberrechts, sondern auch wegen Erben, die vor keinem Rechtsstreit zurückschrecken, um entweder für die Nutzung bezahlt zu werden oder diese sogar verhindern wollen. Da verdienen dann Rechtsanwälte oft mehr, als der Künstler oder die Künstlerin je im Leben verdient hat. Das Internet als neues Medium, in dem Bilder oder Filme zeitlich unbegrenzt veröffentlicht werden können, bringt weitere Komplikationen mit sich. Einer der Folgen ist, Bilder im Internet sind pro Jahr und pro Klick dem Künstler zu bezahlen, wenn sein Kunstwerk auf dem Foto zu sehen ist. Also nicht nur der Fotograf hat einen Anspruch auf Honorierung seines Fotos, sondern auch der Künstler – das jahrelang. Dazu einige Geschichten, die ich dieses Jahr als schreibender und fotografierender Journalist erlebt habe. Vorab, wenn Sie dazu Fragen haben und Probleme vermeiden wollen fragen Sie einen spezialisierten Rechtsanwalt.
Ende Februar 2011 wurde im Museum Küppersmühle, Duisburg, die erste Retroperspektive von Tony (Anthony) Cragg mit dem Titel „Dinge im Kopf“ eröffnet. Sie dauerte mehrere Monate, 23.02.11-13.06.11, und ich schrieb als freier Journalist einen Artikel für das Magazin TELEPOLIS, Heise Online, über die Ausstellung. Der Titel war „Vom Grobschlächtigen zum Schönen“. Als ich den Artikel mit den Fotos zur Redaktion schickte, gingen dort die Alarmglocken los. Die Redaktion informierte mich, dass ich vom Künstler, also von Tony Cragg, explizite die Genehmigung erhalten müsse, dass TELEPOLIS die Fotos, auf denen seine Werke zu sehen sind, honorarfrei und zeitlich unbegrenzt veröffentlichen darf. Sollte er diese Genehmigung nicht geben, würden meine Bilder nicht veröffentlicht. Da ich auch noch die Füße einiger Besucher der Vernissage fotografiert hatte, fragte die Redaktion, ob das Bild von einer Performance sei. Dann würden sie das auch nicht ohne explizite Genehmigung veröffentlichen. Ich hatte bei den Füssen Glück – es waren nur Besucher und nicht Teilnehmer einer Performance.
Tony Cragg gab keine Genehmigung und darum sind meine Fotos seiner Werke in der Ausstellung nicht im Artikel zu sehen. Der Verlag hätte sonst über die Jahre, bei den Millionen Klicks auf deren Webseite, viel Geld bezahlt – das war ihnen die Sache nicht wert.
Markus Lüpertz war großzügiger. Kontaktiert über seine Galerie Michael Werner, erlaubte er „explizite“ die Veröffentlichung seines Werkes „Herkules – Bozzetti“, das im Lehmbruck Museum zur selben Zeit ausgestellt war, für den Artikel. Tony Cragg ist in diesem Punkt äußerst streng. Das zeigt sich auch darin, dass zum Zeitpunkt der Ausstellung zwar jede Menge Fotos seiner Werke auf der Webseite des Museums zu sehen waren – einschließlich einer umfangreichen Reportage der Vernissage – heute aber kein einziges Foto. Das ist mir ebenfalls bei meiner Recherche aufgefallen, als ich einen Artikel über eine seiner Ausstellungen in New York City fand, wo die Löschung des Fotos seines Werkes extra angemerkt war.
OK – ich hatte wieder etwas gelernt. Beim folgenden Besuch der Art Cologne fotografierte ich darum nicht die Kunstwerke, sondern beispielsweise die fleißigen Heinzelmännchen und –frauen, die die Hallen sauber hielten.
Mit einer Ausnahme und das war für mich das beste Kunstwerk der Messe und der coolste Künstler. Johannes Jensen fragte ich vorher, ob ich meine Fotos mit seinem Werk honorarfrei und zeitlich unbegrenzt nutzen dürfe. Er sagte ja und hier darum erneut das Foto seines Projekts JENSENs SKULPTUREN FABRIK. (Siehe anderen Blog: Tuesday, April 12, 2011)
Wie kompliziert das Urheberrecht geworden ist, das konnte ich bei dem Workshop „PRÄSENTATION UND ARCHIVIERUNG VON MEDIENKUNST IM LICHTE DES URHEBERRECHTS“ erfahren. Die Stiftung „imai - inter media art institute“ hatte Dr. Till Kreutzer eingeladen zu diesem Thema einen Tag lang zu referieren. Das war hochinteressant und darüber in einem anderen Text mehr.
© Text & Fotos Maxim Pouska
16.08.2011
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